Der Waffenstillstand im Wagen von Compiègne 1918
Der Waffenstillstand im Wagen von Compiègne beendete den Ersten Weltkrieg. Am 11. November 1918 wurde im Wald bei Compiègne im Norden von Frankreich ein Waffenstillstand zwischen Deutschland auf der den Alliierten geschlossen. Blick in den Wagon während der Waffenstillstandsverhandlungen im Wald von Compiégne. Von links: Kapitän zur See Ernst Vanselow, Generalmajor Detlof von Winterfeldt, Staatssekretär Matthias Erzberger, Alfred von Oberndorff vom Auswärtigen Amt, vorne stehend: Ferdinand Graf von Helldorff als Dolmetscher der Deutschen, im Hintergrund der Dolmetscher P. Laperche, am Tisch: General Maxime Weygand, Marschall Ferdinand Foch und die britischen Marineoffiziere Rosslyn Wemyss und George Hope.
Der Waffenstillstand von Compiègne beendet den ersten Weltkrieg.
Am 11. November 1918 wurde in einem Eisenbahnwagen im Wald bei Compiègne im nordfranzösischen Département Oise ein Waffenstillstand zwischen Deutschland auf der einen Seite und Frankreich, England und den USA auf der anderen Seite geschlossen. Damit war der erste Weltkrieg faktisch beendet.
Auch wenn der Friedensvertrag von Versailles sehr viel bekannter ist, lohnt sich der Blick auf die geschichtsträchtigen Ereignisse im Wald von Compiègne.
Zuerst eine kurze Begriffserklärung: Ein Waffenstillstand beendet die unmittelbaren Kampfhandlungen der Kriegsparteien. Ein Friedensvertrag, später abgeschlossen, beendet den formalen Kriegszustand. Will man diese zwei Vertragsformen gewichten, sei angemerkt, dass nach dem Zweiten Weltkrieg, 1945, zum Beispiel überhaupt nie ein formaler Friedensvertrag zwischen den alliierten Kriegsparteien, Russland und Deutschland geschlossen wurde. Anders gesagt, viel entscheidender für die Soldaten und die Bevölkerung ist eigentlich der Waffenstillstandsvertrag.
Der Waffenstillstandsvertrag sollte eigentlich ein ausgehandelter Vertrag, halbwegs auf Augenhöhe sein. Für Deutschland gab es Ende 1918 jedoch kaum mehr etwas zu verhandeln: Die Frontlinie konnte gerade noch so mühsam gehalten werden, an eine erfolgversprechende Offensive glaubte keiner mehr. Das Deutsche Heer war wortwörtlich ausgeblutet und ein nennenswerter Nachschub an Munition und Gerät nicht mehr gegeben. In der Heimat – und auch in Teilen der Armee – sorgten „revolutionäre Umtriebe“ für Chaos. Den Alliierten war die hoffnungslose Lage der Deutschen durchaus bewusst, es gab seitens der Deutschen kein Druckmittel, was eine ordentliche Verhandlungsposition ermöglicht hätte. So hatte der vorgelegte Waffenstillstandsvertrag bereits weitreichende Bedingungen, die aus deutscher Sicht schon fast an eine bedingungslose Kapitulation grenzten. Er wird deshalb auch auch als „Diktat von Compiègne“ bezeichnet.
Ein Zeitzeuge berichtet von den Ereignissen
Lassen wir als erstes einen Zeitzeugen von den Ereignissen im Wald von Compiègne berichten. Major G. beschrieb in der „Deutschen Warte“ seine, von der Verbitterung des Besiegten gezeichneten Erinnerungen:
Ende September 1918 entschloss sich die Oberste Heeresleitung auf sichtbarere Schritte zur Herbeiführung von Waffenstillstand und Frieden zu dringen. Um sich auf die möglicherweise auf tauchenden Fragen militärischer und anderer Art rechtzeitig vorzubereiten, wurde eine vorläufige Waffenstillstandskommission mit dieser Aufgabe beauftragt, die in völliger Übereinstimmung mit den im Hauptquartier anwesenden Vertretern der Reichsregierung sogleich zusammentrat.
Den Vorsitz übernahm der von der Obersten Heeresleitung vorgeschlagene General v. Gündell, der infolge seiner Kenntnis des Völkerrechts – er hatte an der Haager Konferenz teilgenommen – dazu besonders geeignet erschien. Der Kommission gehörten ferner eine Anzahl Land- und Seeoffiziere sowie Vertreter der beteiligten Reichsressorts an. Sie bearbeitete in erster Linie militärische Fragen wie Rämungsfristen und der gleichem. Natürlich interessierte sie sich aber auch für politische Fragen, soweit die Möglichkeit bestand, dass sie in Verbindung mit dem Waffenstillstand zur Sprache kommen würden.
Es wurde deshalb angeregt, auch das politische Material rechtzeitig zu sammeln und in Spa bereitzulegen, eine Anregung, die vom Staatssekretär Golf in überraschend grober Form zurückgewiesen wurde, ein Zusammenstoß, der übrigens keinerlei Folgen für die Zusammenarbeit innerhalb der Kommission hatte.
Der Weg zum Waffenstillstand von Compiègne
Am 6. November 1918 wurde Wilsons vierte Note vom 5. November 1918, die endlich den Beginn der Waffenstillstandsverhandlungen in greifbare Nähe zu rücken schien, bekannt. An diesem Tage befand sich der Erste Generalquartiermeister, General Gröner, mit Begleitung in Berlin, um an einer Besprechung des Kriegskabinetts teilzunehmen. An dieser Sitzung des Kabinetts wurde beschlossen, dass ein Mitglied des Kabinetts die Waffenstillstandsverhandlungen mitzumachen habe: Der Politiker Matthias Erzberger.
Erzberger selbst gab an, dass er überraschend vom Reichskanzler hierzu bestimmt worden sei. Er habe sich gesträubt, habe aber schließlich annehmen müssen.
Ob das Kabinett diesen Beschluss mehr aus außenpolitischen Gründen gefasst hat – weil man glaubte, dass ein Zivilist als Leiter bessere Bedingungen erhalten würde – oder aus innenpolitischen – weil man den Anschein vermeiden wollte, als ob der „Militarismus“ noch etwas zu sagen habe -, mag dahingestellt sein, jedenfalls aber konnte Erzberger, wenn er zu den Waffenstillstandsverhandlungen fuhr, dies selbstverständlich nicht unter militärischem Oberbefehl tun.
Er war Kabinettsmitglied, ihm musste daher die Leitung zufallen. Es ist anzunehmen, dass Erzberger erst auf der Fahrt nach Spa, die er im Sonderzug der Obersten Heeresleitung am 6. November abends antrat, einigermaßen über die persönlichen Verhältnisse unterrichtet wurde.
Ankunft in Spa
Das erste, was nach Eintreffen Erzbergers in Spa erledigt werden musste, war die Herbeiführung einer Klärung des Verhältnisses zwischen dem bisherigen Vorsitzenden, General v. Gündell, und dem Kabinettsmitglied Erzberger. Sie erfolgte in der Weise, dass General v. Gündell anbot, zurück zutreten. Ein Druck wurde hierbei nicht ausgeübt, irgendwelche Reibungen oder Störungen der Zusammenarbeit entstanden hieraus nicht. Hierauf wurde in einer Besprechung festgesetzt, wie und wann abgefahren werden sollte.
Am 7. November 1918, 12 Uhr mittags, knapp vier Stunden nach Erzbergers Ankunft in Spa, verließ die erste Staffel der Kommission Spa in fünf Kraftwagen, nachdem das Überschreiten der Front durch Funkspruch mit dem Oberkommando der Alliierten vereinbart worden war.
Der Himmel war mit Wolken bedeckt, die Straßen waren nass und glatt. Schon nach wenigen Kilometern blieben infolge eines Unfalls zwei Kraftwagen liegen; Erzberger selbst wäre hierbei beinahe verunglückt. Die Kommission musste sich nun in nur drei Wagen mit allem Gepäck zusammendrängen. Auch zurück marschierende Kolonnen bereiteten Aufenthalt.
So kam die Kommission mit mehrstündiger Verspätung erst bei Dunkelheit zur Front. Das zuständige Oberkommando warnte vor der Weiterfahrt bei Nacht. Man könne auf Minen geraten oder aus anderen Gründen zum Verlassen der Kraftwagen gezwungen werden; es sei auch nicht ganz sicher, ob die Befehle zur vorübergehenden Einstellung der Feindseligkeiten an der Stelle des Übergangs überall durchdringen würden. Es ist anzuerkennen, dass Erzberger ohne Zögern alle persönliche Gefahr und Anstrengung hintansetzte und auf der Weiterfahrt bestand; er glaubte, im Interesse des deutschen Volkes keine Zeit verlieren zu dürfen.
Die deutsche Komission fährt hinter die Front
Ein neuer Funkspruch an das Oberkommando der Alliierten wurde daher erlassen und 9 Uhr und 20 Minuten nachts die Front von La Capelle im Kraftwagen ohne Zwischenfälle überschritten.
Trotz der Dunkelheit hatten sich viele französische Soldaten auf der Straße versammelt. Sie gaben in fast kindlicher Weise ihrer Freude über die Beendigung des Krieges Ausdruck, indem sie immer wieder riefen: „Finie la guerre!“ oder frugen, ob es nun tatsächlich zu Ende sei. Von Feindseligkeit gegen die deutschen Unterhändler war hier nichts zu bemerken. Die Freude überwog. Der einfache Frontsoldat achtete den tapferen Gegner.
Kurz vor 10 Uhr trafen die deutschen Bevollmächtigten in La Capelle ein. Von dort bis zum Walde von Compiègne, dem Verhandlungsort, der den Deutschen übrigens verheimlicht wurde, waren es nur wenige Autostunden. Es wäre sehr einfach gewesen, die Bevollmächtigten schnell dorthin zu bringen. Seltsamerweise ließ man sie erst stundenlang in einem anscheinend für Stäbe bestimmten Hause von La Capelle warten und führte sie dann im verschlossenen Auto irre, so dass eine Orientierung sehr erschwert war.
„..recht gutes Abendessen“
Mitten in der Nacht wurde sogar ein für deutsche Begriffe recht gutes Essen im Armeehauptquartier des Generals Debeney serviert. Die Behauptung des Generals Debeney, die Bevollmächtigten müssten sich mit der frugalen Soldatenkost begnügen, die bei den Alliierten Offizier und Soldat gleichmäßig erhielten, war nichts als eine schlechte, schauspielerische Geste. Im Übrigen zeigte der französische General, der nur für einen Augenblick ins Zimmer trat, ein erstaunlich frostiges, ja hämisches Benehmen.
Erst gegen Morgen kamen die Deutschen in die Gegend von St. Quentin in einem Sonderzug, der mit verhängten Fenstern noch eine Strecke weiterfuhr. Fragen nach der Örtlichkeit wurden abgelehnt. Für Geländekundige war trotzdem, als es hell wurde, unverkennbar, dass man sich im Walde von Compiègne befand. Der Zug stand auf der Eisenbahnklaue eines Geschützes. Man konnte also nicht allzu weit hinter der Front sich befinden. Was sollte aber die Heimlichtuerei?
Wollte man den deutschen Bevollmächtigten die Verbindung nach rückwärts und die Einholung von Instruktionen erschweren? Die späteren Ereignisse haben diesen Verdacht bestätigt.
Im Zuge war den Deutschen mitgeteilt worden, Marschall Foch erwarte sie 9 Uhr vormittags in seinem Zuge, der, wie sich herausstellte, als es Tag wurde, nur etwa 100 Schritte entfernt von dem deutschen Sonderzug stand. Pünktlich zur festgesetzten Zeit fand die erste Begegnung statt, die sich tatsächlich folgendermaßen abspielte:
Die vier deutschen Bevollmächtigten mit ihrer Begleitung schritten zu Fuß, die Offiziere mit umgeschnalltem Seitengewehr, zum Zuge Fochs hinüber. Vor der Türe des Arbeitswagens erwartete sie General Weygand, grüßte militärisch und geleitete die Deutschen in den Wagen, wo an einem großen Tisch Marschall Foch, General Weygand, Admiral Wemyss und Admiral Hope Platz nahmen.
Ihnen gegenüber setzen sich die vier deutschen Bevollmächtigten. Außerdem befanden sich eine geringe Anzahl anderer Teilnehmer im Abteil, irgendwelche Begrüßung außer kurzer, förmlicher Verbeugung fand nicht statt. Worte wurden nicht gewechselt.
Nach einer kleinen Weile frostigen Schweigens fragte Marschall Foch, halb zu seinem Chef, dem General Weygand, gewandt: „Que désirent ces messieurs?“ Darauf entspann sich eine kurze Debatte in ziemlich schroffen Formen, ob die Deutschen gekommen seien, um zu verhandeln, oder nur, um die Bedingungen entgegenzunehmen. Es war eine ebenso peinliche wie kleinliche und unvornehme Szene.
Keine „Verhandlungen“ – bestenfalls „Besprechungen“
Der Sieger legte offenbar Wert darauf, dem am Boden liegenden noch einen Tritt zu versetzen. Das Wort „Verhandlung“ musste von nun an sorgfältig vermieden werden.
Schließlich kam man aber doch soweit, dass General Weygand auf Anweisung Fochs die bekannten Bedingungen vorlesen konnte. Sie wurden Satz für Satz verdeutscht.
Der Eindruck war niederschmetternd. Insbesondere die kurze Frist von 72 Stunden für Annahme oder Ablehnung wurde als ungeheuer schroff empfunden.
Erzberger sagte nach Schluss der Verlesung mit kurzen Worten, die Deutschen wünschten sich zurückzuziehen, um die Bedingungen genauer zu prüfen. Sie bäten um jede mögliche Erleichterung für den Verkehr mit der deutschen Obersten Heeresleitung und Regierung. Dies wurde zugesagt, soweit eine Kurierverbindung gewünscht wurde. Eine Weitergabe der Bedingungen durch Funkspruch wurde abgelehnt. Auch eine Fristverlängerung, um die im Hinblick auf die umständliche Verbindung gebeten wurde, lehnte Foch schroff ab.
Die Deutschen hatten gehofft, im Interesse der Menschlichkeit wenigstens eine sofortige Waffenruhe herbeiführen zu können. Bei den gegebenen Verhältnissen schien dies nun aussichtslos.
General v. Winterfeldt glaubte trotzdem – nicht aus militärischen Gründen, sondern im Interesse der Menschlichkeit – zu dem Versuch verpflichtet zu sein, ein sofortiges Aufhören des Blutvergießens vorzuschlagen. Der in ruhiger und höflicher, aber dringlicher Form vorgebrachte Vorschlag wurde kalt und ohne Begründung abgelehnt.
Damit war die erste Sitzung zu Ende. Die Deutschen begaben sich in ihren Zug zurück.
Die deutschen Bevollmächtigten erwogen zunächst, ob es nicht das beste wäre, sogleich ins deutsche Hauptquartier zurückzukehren, um dort mit den Sachverständigen und der Regierung zu beraten. Man fürchtete aber, dann die Frist zu versäumen, die, wenn man an Ort und Stelle verblieb, vielleicht benutzt werden konnte, um Milderungen zu erreichen. Schließlich wurde beschlossen, von den Alliierten einige weitere Abdrucke der Bedingungen zu erbitten, und den Dolmetscheroffizier als den einzigen, der äußerstenfalls entbehrlich schien, ins deutsche Hauptquartier zu senden. Mit Mühe gelang es, noch zwei bis drei Abdrucke der Bedingungen zu erhalten; der Dolmetscheroffizier konnte jedoch erst im Laufe des Nachmittags nach Spa abreisen, gelangte aber wohl infolge des üblen Willens der Alliierten an diesem Tage nicht mehr über die Front.
Für die im Walde von Compiègne zurückbleibenden Bevollmächtigten war die Lage nicht einfach. Äußerlich war man gut versorgt, die Verpflegung vorzüglich, die Unterkunft im Sonderzug gut. Aber die Bewegungsfreiheit war beschränkt, und die Fühlungsnahme mit den feindlichen Delegierten schien fast unmöglich. Man war so gut wie abgeschnitten von der Welt.
Die Franzosen behindern die Kommunikation mit der Heeresleitung und Berlin
Es wäre für die Franzosen eine Kleinigkeit gewesen, einen durchgehenden Draht nach Spa zur Verfügung zu stellen. Dies wurde deutscherseits wiederholt beantragt und war auf deutscher Seite von der Obersten Heeresleitung vorgesehen.Die Franzosen aber machten Ausflüchte.
Es blieb nichts übrig, als an Ort und Stelle die Bedingungen zu prüfen. So gut es ging, suchte man die unmöglichsten und unangenehmsten heraus und setzte Gegenvorschläge auf, die natürlich sich in sehr bescheidenen Grenzen halten mussten, dann ließ man bei Foch anfragen, ob, wenn „Verhandlungen“ nicht zugelassen würden, nicht wenigstens die einzelnen Bevollmächtigten zu „Besprechungen“ zusammenkommen könnten.
Dies wurde endlich zugegeben, demgemäß fanden in den nächsten Tagen mehrere Besprechungen statt zwischen Graf Obernborff und General Weygand über allgemeine Fragen, zwischen General v. Winterfeldt und General Weygand über militärische Fragen, und zwischen Kapitän z. S. Vanselow und den englischen Sachverständigen über Marinefragen.
Das Ergebnis wurde jedes mal schriftlich niedergelegt und kam schließlich in geringfügigen Änderungen der ursprünglichen Bedingungen zum Ausdruck. In den Hauptpunkten wurde so gut wie nichts erreicht. Die beiderseitigen Leiter, Erzberger einerseits, Foch andererseits, hatten an den mündlichen Besprechungen keinen Anteil. Die Alliierten wollten dadurch den inoffiziellen Charakter der Besprechungen hervorheben.
In den Besprechungen sprach man von deutscher Seite ganz offen, fand aber keinerlei Verständnis, nur tiefstes Misstrauen und unverhohlenen, tief sitzenden Hass. Keine Spur von Achtung oder Ritterlichkeit wurde gegenüber dem unterlegenen tapferen Gegner gezeigt. Dieser sollte den Kelch bis zur Neige leeren.
Deutschland musste später erfahren, dass selbst das, was damals zur Beruhigung mündlich zugesichert wurde, in keiner Weise gehalten wurde. So wurden z. B. die deutschen Bedenken wegen der Behandlung des besetzten Gebiets, insbesondere wegen des Requisitionsrechts der Besatzungstruppen, wegen der Behandlung der Kriegsbeschuldigten und über anderes, worüber die Bedingungen sich nur sehr unklar und allgemein aussprachen, für unbegründet erklärt.
„Wir werden das Recht sehr milde handhaben“, sagte der feindliche General. Auch ein anderes Wort der französischen Generale soll nicht in Vergessenheit geraten: „Il n’y a rien entre les lignes“, und „Was nicht im Vertrag drin steht, steht nicht drin“, wurde damals und später immer wieder gesagt.
Von den Ereignissen in der Heimat erfuhren die deutschen Bevollmächtigten im Walde von Compiègne nur unzusammenhängende Bruchstücke, nur das, was die Franzosen mitzuteilen für gut hielten. Wie peinlich und wie beschämend diese Lage war, bedarf kaum der Erwähnung. Was man erfuhr, war nicht viel, aber doch genug, um erkennen zu lassen, dass nunmehr jede Möglichkeit des Widerstandes verschwunden war
Es wurde klar, dass nun unter allen Umständen unterzeichnet werden müsste. Diese Auffassung der Lage wurde bestätigt durch die Nachrichten, die einige in der Nacht vom 9. zum 10. November endlich eintreffende Offiziere der zweiten Staffel mitbrachten.
Revolution in Deutschland – Wer ist überhaupt bemächtigt?
Wer regiert in Berlin? Wer kontrolliert das Deutsche Heer?
Man hätte somit schon am 10. November unterzeichnen können. Eine Klärung der Lage musste aber doch zunächst herbeigeführt werden. Gab es überhaupt eine Regierung, die die Erfüllung der Waffenstillstandsbedingungen gewährleisten konnte? Waren die Delegierten in Compiègne noch bevollmächtigt und von wem? Wem gehorchte das Heer? Es erschien daher vorteilhaft und notwendig, zunächst die Besprechungen fortzuführen, inzwischen mussten Weisungen eingehen. Währenddessen drängten die Franzosen. Immer wieder erschien ihr Dolmetscher mit irgendeiner Anfrage oder Nachricht, einmal kam sogar General Weygand persönlich zum Sonderzug der Deutschen.
Der Abend des 10. November 1918 brachte endlich die ersehnte Klärung durch ein chiffriertes, von Hindenburg unterzeichnetes Telegramm der Obersten Heeresleitung und einen offenen, mit „Reichskanzler“ unterschriebenen Funkspruch. Es ist unaufgeklärt, warum dieser Funkspruch nicht chiffriert war. Auch über den Ursprung des Telegramms bestehen Meinungsverschiedenheiten. Wenn auch dieses Telegramm in der Form, wie es eintraf, peinlich war und die Stellung der Unterhändler sehr erschwert hätte, wenn sie überhaupt noch die Wahl gehabt hätten, zu unterschreiben oder abzulehnen, so hatte es schließlich doch keine wesentlichen Nachteile zur Folge, da Erzberger sich sehr richtig sogleich auf den Standpunkt stellte, der Funkspruch ermächtige die Bevollmächtigten nur zur Unterschrift, er befehle diese aber nicht. Er für seine Person werde nur unterschreiben, wenn er dies für richtig halte.
Jedenfalls war nun weiteres Abwarten zwecklos, Erzberger bat daher um sofortige Anberaumung einer Sitzung, die dann auch am 11. November, 2 Uhr 15 Minuten vormittags begann. Es war dies außer der oben beschriebenen ersten Begegnung die einzige Sitzung, die in Anwesenheit aller Delegierten stattfand. Im Verlauf dieser Sitzung wurde Punkt für Punkt der Bedingungen nochmals verlesen.
Marschall Foch lässt nicht mit sich verhandeln
Erzberger und die anderen Bevollmächtigten kämpften, wo dies möglich war, zäh für Erleichterungen. In Einzelheiten gab Foch nach, in allen großen Fragen wich er keinen Schritt. Es war ein unsagbar trauriges, aber wie die Dinge lagen, unvermeidliches Ergebnis.
Die Vertreter der Alliierten erklären noch, dass es angesichts neuer Ereignisse notwendig ist, die folgenden Bedingung zu nennen, die mit der Annahme des Waffenstillstandsvertrags anerkannt wird:
„Falls die deutschen Schiffe nicht an die Regierungen der Alliierten und der Vereinigten Staaten übergeben werden, haben diese das Recht Helgoland zu besetzen, um die Ablieferung sicherzustellen. „
Erzbergers Protestnote
Nach der Unterzeichnung verlas Erzberger einen vorbereiteten, in würdigen Worten gehaltenen Protest gegen die Bedingungen, die nach den Kundgebungen, die den Waffenstillstand eingeleitet hatten, nicht erwartet worden wären:
„Die deutsche Regierung wird sich mit aller Kraft bemühen, dass die auferlegten Pflichten durchgeführt werden.
Die unterzeichneten Bevollmächtigten erkennen an, dass in bestimmten Punkten ihre Vorschläge berücksichtigt wurden. Sie können daher die Anmerkungen welche am 9. November über die Bedingungen des Waffenstillstand mit Deutschland gemacht wurden und die Antwort, die ihnen am 10. November gegeben wurde, als eine wesentliche Bedingung der ganzen Vereinbarung betrachten.
Sie müssen jedoch in dem Punkt, in dem es insbesondere gilt, auf die kurze Zeit für die Evakuierung, sowie die Abgabe von unverzichtbaren Transportmitteln hinweisen. Es droht hier eine Situation, die ohne die Schuld der deutschen Regierung und des deutschen Volkes die weitere Erfüllung der Bedingungen unmöglich machen kann.
Die unterzeichneten Bevollmächtigten sehen es ferner als ihre Pflicht an, noch einmal nachdrücklich auf ihre wiederholte mündliche und schriftliche Erklärung hinzuweisen, dass die Durchführung dieses Abkommens das deutsche Volk in Anarchie und Hungersnot werfen muss.
Laut den Erklärungen vor dem Waffenstillstand waren Bedingungen zu erwarten, die einerseits die militärische Situation unserer Gegner vollständig absichern, andererseits aber auch das Leiden von Frauen und Kindern, die kein Teil des Kriegs sind, beendet.
Das deutsche Volk, das sich seit 50 Monaten gegen eine Welt von Feinden behauptet hat, wird, trotz allem Druck von außen, seine Freiheit und Einheit bewahren. Ein Volk von 70.000.000 leidet, aber stirbt nicht.“
gezeichnet: ERZBERGER, OBERNDORFF, WINTERFELDT, VANSELOW
Um 5:30 am frühen Morgen ist der Waffenstillstandsvertrag von Compiègne unterzeichnet
Damit endete am 11. November, 5 Uhr 30 Minuten morgens (französische Zeit) die Sitzung, die sich wieder in denkbar kältester Form abgespielt hatte. Von keiner Seite wurden in irgendeiner Weise die Grenzen der kühlsten und formellsten Höflichkeit überschritten.
Nach Schluss der Sitzung wurde zunächst der deutschen Obersten Heeresleitung durch Funkspruch der vollzogene Abschluss mitgeteilt. Es dauerte aber noch Stunden, bis es endlich gelang, ein vollständig richtiges Exemplar des Vertrages zu erhalten.
Schließlich gelang es, für einen deutschen Generalstabsoffizier ein französisches Flugzeug zu erhalten, mittels dessen die Übermittlung des endgültigen Vertrags an die deutsche Oberste Heeresleitung beschleunigt werden sollte. Auch hierbei aber zeigte sich die mala fides der Franzosen, der Abflug verzögerte sich um Stunden und schließlich verflog sich der französische Flieger sogar. Zur Ehre der französischen Fliegerei muss angenommen werden, dass dies Absicht war.
Für die deutsche Oberste Heeresleitung bedeutete der Zeitverlust eine weitere Erschwerung der Lage; sie kam erst zwischen 10 und 11 abends in Besitz des Vertrages, der bereits seit 11 Uhr morgens in Kraft war.
Kurz nach der Unterzeichnung des Vertrages waren noch deutsche Sachverständige für Ernährungs- und Transportfragen, die auf Wunsch Erzbergers und im Einvernehmen mit den Alliierten von der zweiten Staffel herbeigeholt worden waren, im Walde von Compiègne eingetroffen, sie kamen leider nicht zu Verhandlungen, da die Alliierten unter wenig loyaler Auslegung des Vertrages allem auswichen und auf die demnächst in Spa zusammentretende internationale Waffenstillstandskommission verwiesen.
Unter diesen Umständen blieb nichts übrig, als dass die gesamte Kommission nach Spa zurückreiste, wo sie am 12. November 1918 wieder eintraf.
Während Erzberger von dort nach Berlin fuhr, bildete sich in Spa die deutsche Abteilung der ständigen internationalen Waffenstillstandskommission, der die Aufgabe zufiel, den Vertrag durchzuführen.
Die Mängel und Gefahren des Vertrags waren allen Beteiligten von Anfang an klar. Sie mussten ihnen um so deutlicher zum Bewusstsein gekommen sein, weil der Verlauf der Verhandlungen im Walde von Compiègne Charakter und Geistesverfassung unserer Feinde unzweideutig enthüllt hatte.
Es ist daher nicht wahrscheinlich, dass, wie Erzberger schreibt, Generalfeldmarschall v. Hindenburg und General Gröner sich bei Erzberger in einer über die gewöhnliche Form der Höflichkeit hinausgehenden Art bedankt haben. Es ist auch nicht wahrscheinlich, dass General Gröner gesagt hat, „Seine kühnsten Erwartungen seien durch die Erfolge Erzbergers übertroffen worden.“ Sowohl der Generalfeldmarschall wie General Gröner haben diese Auffassung Erzbergers öffentlich bestritten.
So weit der Bericht des Majors, welcher Heft 275 und 276 der Publikation „Der Völkerkrieg“ entnommen wurde.
Der Waffenstillstandsvertrag von Compiègne im Wortlaut:
1. Einstellung der Feindseligkeiten zu Lande und in der Luft 6 Stunden nach Unterzeichnung des Waffenstillstandes.
2. Sofortige Räumung der besetzten Gebiete (Belgien, Frankreich, Elsass-Lothringen und Luxemburg). Sie ist so zu regeln, dass sie in einem Zeitraum von 14 Tagen nach Zeichnung des Waffenstillstandes durchgeführt ist. Die deutschen Gruppen, welche die erwähnten Gebiete in dem festgesetzten Zeitraum nicht geräumt haben, werden zu Kriegsgefangenen gemacht. Die gesamte Besetzung dieser Gebiete durch die Gruppen der Verbündeten und der Vereinigten Staaten wird den Fortschritten der Räumung folgen. Alle Räumungs- und Besetzungsbewegungen sind durch die Zusatznote Nr. 1 geregelt.
3. Alle Einwohner der oben aufgezählten Länder (einschließlich der Geiseln, der im Anklagezustandbefindlichen und bereits Verurteilten) werden in ihre Heimat zurückgeführt. Diese Rückführung beginnt sofort und muss in einem Zeitraum von 14 Tagen beendet sein.
4. Die Deutschen überlassen folgendes Kriegsmaterial in gutem Zustand: 5.000 Kanonen (davon 2.500 Schwere und 2.500 Feldgeschütze), 25.000 Maschinengewehre, 3.000 Minenwerfer, 1.700 Jagd- und Bombenabwurf-Flugzeuge. In erster Linie alle Apparate D.7 und alle für nächtlichen Bombenabwurf bestimmten Flugzeuge. Dies Material ist den Gruppen der Verbündeten und der Vereinigten Staaten nach den durch die Zusatznote Nr. 1 festgelegten Einzelbestimmungen an Ort und Stelle auszuliefern.
5. Räumung des linken Rheinufers durch die deutschen Armeen. Das linke Rheinufer wird durch die örtlichen Behörden unter Aufsicht der Besetzungstruppen der Verbündeten und der Vereinigten Staaten verwaltet. Die Truppen der Verbündeten und der Vereinigten Staaten werden die Besetzung dieser Gebiete sichern, indem sie die hauptsächlichsten Rheinübergänge (Mainz, Koblenz, Köln), inbegriffen je einen Brückenkopf von 30 km Durchmesser auf dem rechten Ufer, und außerdem die strategischen Punkte des Gebietes besetzen. Eine neutrale Zone wird auf dem rechten Rheinufer vom Fluss bis zu einer Entfernung von 10 km davon von der holländischen bis zur Schweizer Grenze vorbehalten. Die Räumung der links- und rechtsrheinischen Gebiete durch den Feind wird derart geregelt, dass sie in einer Frist von weiteren 16 Tagen, das macht 31 Tage nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes, bewirkt sein muss. Alle Räumungs- und Besetzungsbewegungen werden durch die Zusatznote Nr. 1 geregelt.
6. In allen vom Feinde geräumten Gebieten ist die Fortführung von Einwohnern untersagt. Dem Eigentum der Einwohner darf kein Schaden oder Nachteil zugefügt werden. Kein Bewohner wird wegen Vergehen der Teilnahme an Kriegshandlungen, die der Unterzeichnung des Waffenstillstandes vorausgingen, verfolgt, Zerstörungen irgendwelcher Art werden nicht ausgeführt. Militärische Einrichtungen jeder Art werden in unversehrtem Zustande ausgeliefert, ebenso alle militärischen Vorräte, Lebensmittel, Munition, Ausrüstungsstücke, die nicht in dem für die Räumung festgesetzten Zeitraum haben mitgeführt werden können. Alle für die Zivilbevölkerung bestimmten Lebensmittelvorräte jeder Art (Vieh usw.) müssen an Ort und Stelle belassen werden. Es wird keine allgemeine oder amtlich angeordnete Maßnahme ergriffen, welche eine Wertverminderung der industriellen Betriebe oder eine Herabsetzung ihres Personals zur Folge hat.
7. Die Verkehrswege und Mittel jeder Art, Eisenbahnen, Schifffahrtswege, Straßen, Brücken, Telegraphen- und Telephonleitungen dürfen keinerlei Beschädigungen erleiden, das sämtliche zivile und militärische Personal, das augenblicklich an ihnen verwendet wird, ist dort zu belassen. Den verbündeten Mächten sind 5.000 Lokomotiven, 150.000 Waggons in gutem, fahrbereitem Zustande und mit allen notwendigen Ersatz- und Zubehörteilen in den Zeiträumen zu übergeben, deren Einzelheiten in der Beilage 2 angegeben sind, und deren Gesamtzeit 31 Tage nicht übersteigen darf. Ebenso sind 5000 Lastautomobile in gutem Zustande in einem Zeitraum von 36 Tagen zu liefern. Die Elsass-lothringischen Bahnen mit sämtlichem organisch zu ihnen gehörendem Personal und Material sind in demselben Zeitraum auszuliefern. Außerdem ist das für den Eisenbahnverkehr auf dem linkem Rheinufer notwendige Material an Ort und Stelle zu belassen. Sämtliche Vorräte an Kohlen und Betriebsmaterial, Schienen, Signalgeräte, Werkstättenmaterial sind an Ort und Stelle zu belassen und während der ganzen Dauer des Waffenstillstandes von Deutschland vollzählig und in gutem Zustand zu unterhalten. Sämtliche den Verbündeten abgenommenen Lastkähne sind ihnen zurückzugeben. Die Zusatznote 2 regelt die Einzelheiten dieser Maßnahmen.
8. Die deutsche Führung verpflichtet sich, innerhalb 48 Stunden nach Zeichnung des Waffenstillstandes alle Minen oder Sprengvorrichtungen mit Verzögerung, die von den deutschen Truppen in den geräumten Gebieten gelegt worden sind, zu bezeichnen und ihre Auffindung und Zerstörung zu erleichtern. Sie wird außerdem sämtliche schädlichen Maßnahmen, die getroffen sein könnten, angeben (z.B. Vergiftung der Quellen usw.); im gegenteiligen Falle erfolgen Strafmaßnahmen.
9. Das Requisitionsrecht wird von den Armeen der Verbündeten und der Vereinigten Staaten auf allen von ihnen besetzten Gebieten, vorbehaltlich der Zahlungsregulierung, ausgeübt. Der Unterhalt der Besatzungstruppen der rheinischen Gebiete (mit Ausnahme Elsass-Lothringens) erfolgt auf Kosten der deutschen Regierung.
10. Sämtliche Kriegsgefangenen der Verbündeten und der Vereinigten Staaten, einschließlich der in Anklagezustand befindlichen und verurteilten, sind ohne Recht auf Gegenseitigkeit in ihre Heimat zu befördern. Die Einzelbestimmungen werden noch getroffen. Die verbündeten Mächte und die Vereinigten Staaten sollen das Recht haben, nach Gutdünken über sie zu verfügen. Durch vorstehende Bedingung werden sämtliche Abmachungen, die früher über Kriegsgefangenenaustausch getroffen worden sind, für ungültig erklärt, einschließlich derjenigen vom Juli 1918, welche im Begriffe ist, ratifiziert zu werden. Indessen wird die Heimsendung der deutschen Kriegsgefangenen, die in Holland und in der Schweiz interniert sind, wie vordem fortgesetzt werden. Die Heimsendung der deutschen Kriegsgefangenen wird beim Abschluss der Vorfriedensverhandlungen geregelt werden.
11. Die nicht transportfähigen Kranken und Verwundeten, welche in den von den deutschen Armeen geräumten Gebieten zurückgelassen werden, werden von deutschem Sanitätspersonal verpflegt; dies ist daher mit dem nötigen Material an Ort und Stelle zu belassen.
Bestimmungen hinsichtlich der deutschen Ostgrenzen
12. Sämtliche deutschen Truppen, welche sich augenblicklich auf dem vor dem Kriege zu Österreich, Russland, Rumänien und der Türkei gehörigen Gebiete befinden, müssen hinter die deutschen Grenzen zurückgehen, wie sie am 1. August 1914 waren. Alle deutschen Truppen, die sich gegenwärtig in Gebieten befinden, die vor dem Kriege zu Russland gehörten, müssen ebenfalls in die deutschen Grenzen zurückkehren, wie sie oben festgelegt sind, sobald die Alliierten den Augenblick für gekommen erachten unter Berücksichtigung der inneren Lage dieser Gebiete.
13. Die Abbeförderung der deutschen Truppen und die Rückberufung sämtlicher deutschen Instrukteure, Gefangenen-, Zivil- und Militäragenten vom russischen Gebiet (nach den Grenzen vom 1. August 1914) ist sofort einzuleiten.
14. Sämtliche Requisitionen und Beschlagnahmen von Gegenständen, die nach Deutschland übergeführt werden sollen durch die deutschen Truppen, haben in Rumänien und Russland (innerhalb ihrer Grenze vom 1. August 1914) von nun an sofort zu unterbleiben.
15. Verzicht auf die Friedensverträge von Bukarest und Brest-Litowsk sowie auf ihre Zusatzverträge.
16. Die Verbündeten sollen freien Zugang zu den von den Deutschen an ihren Ostgrenzen geräumten Gebieten sowohl über Danzig wie auch über die Weichsel haben, um die Bevölkerungen dieser Gebiete verpflegen zu können oder auch für die Aufrechterhaltung der Ordnung.
In Ost-Afrika
17. Räumung von allen deutschen Kräften, welche in Ostafrika operieren, innerhalb eines von den Verbündeten zu bestimmenden Zeitraumes.
Allgemeine Bestimmungen
18. Alle Zivilinternierten (einbegriffen die Geiseln, die in Anklagezustand Befindlichen oder Verurteilten), welche den verbündeten oder verbundenen Mächten angehören und nicht im Artikel 3 aufgeführt sind, sind ohne Recht auf Gegenseitigkeit in einem Höchstzeitraum von einem Monat in ihre Heimat zu befördern. Ausführungsbestimmungen bleiben noch festzusetzen.
19. Finanzielle Bestimmungen. Spätere Ansprüche und Forderungen jeder Art von Seiten der Verbündeten und der Vereinigten Staaten werden vorbehalten. Wiederherstellung aller Beschädigungen. Während der Dauer des Waffenstillstandes darf der Feind keine öffentlichen Werte beseitigen, welche den Verbündeten als Pfänder für die Deckung der Kriegsschäden dienen könnten. Sofortige Zurückerstattung des Kassenbestandes der Banque Nationale de Belgique und sofortige Zurückerstattung sämtlicher Dokumente und Wertpapiere (mobiliarer und fiduziarischer mit dem Ausgabematerial), welche dem öffentlichen Interesse dienen und in den besetzten Gebieten eingezogen worden sind. Rückerstattung des russischen und rumänischen Goldes, welches von den Deutschen beschlagnahmt oder ihnen ausgeliefert worden ist. Dieses Gold wird von den Verbündeten bis zur Unterzeichnung des Friedens in Verwahrung genommen werden.
Bestimmungen für die Seemacht
20. Sofortige Einstellung jeder Feindseligkeit zur See und genaue Angabe, wo sich deutsche Fahrzeuge zur Zeit befinden sowie ihrer Bewegungen. Den Neutralen ist bekannt zu geben, dass der Kriegs- und Handelsmarine der verbündeten und verbundenen Mächte Bewegungsfreiheit in allen territorialen Gewässern gestattet ist, ohne dass man deshalb Beschwerden wegen der Neutralitätsverletzung geltend machen wird.
21. Alle Kriegsgefangenen der Kriegs- und Handelsflotten der verbündeten und verbundenen
Mächte, welche sich in deutscher Gewalt befinden, sind ohne Anspruch auf Gegenseitigkeit auszuliefern.
22. Auslieferung an die Alliierten und die Vereinigten Staaten aller U-Boote, einschließlich der XL Bootkreuzer und Minenleger, die gegenwärtig vorhanden sind, mit ihrer Bewaffnung und vollständigen Ausrüstung. Diese fahren nach den von den Alliierten und den Vereinigten Staaten bezeichneten Häfen. Solche, die nicht in See stechen können, werden abgerüstet, vom Personal verlassen und unter der Bewachung der Alliierten und der Vereinigten Staaten bleiben. Die U-Boote, die seebereit sind, werden instand gesetzt, die deutschen Häfen zu verlassen, sobald sie Befehle durch Funkspruch zur Abreise nach dem bezeichneten Hafen erhalten. Die übrigen so schnell als möglich. Die Bedingungen dieses Artikels werden in einem Zeitraum von 14 Tagen nach Unterzeichnung des Waffenstillstandes ausgeführt werden.
23. Die Kriegsschiffe der deutschen Hochseeflotte, welche von den Verbündeten und den Vereinigten Staaten bezeichnet werden, werden sofort abgerüstet und dann in neutralen Häfen oder – in deren Ermangelung – in Häfen der verbündeten Mächte interniert, die von den Verbündeten und von den Vereinigten Staaten bezeichnet werden. Sie bleiben dort unter der Überwachung der Verbündeten und der Vereinigten Staaten. Es werden nur Wachabteilungen an Bord belassen. Hierfür werden von den Verbündeten bezeichnet werden: 6 Schlachtkreuzer, 10 Geschwaderspanzerschiffe, 8 leichte Kreuzer (davon 2 Minenleger), 50 Zerstörer der modernsten Typen.
Alle anderen Kriegsschiffe der Hochseeflotte und der Binnengewässer sollen in den von den Verbündeten und von den Vereinigten Staaten bezeichneten deutschen Flottenstationen zusammengezogen und vollständig abgerüstet werden. Sie werden dort unter die Bewachung der Verbündeten und der Vereinigten Staaten gestellt. Die militärische Ausrüstung sämtlicher Schiffe der Hilfsflotte wird an Land gebracht. Alle zu internierenden Schiffe werden bereit sein, die deutschen Häfen 7 Tage nach Waffenstillstandsunterzeichnung zu verlassen. Durch Funkspruch wird die Reiseroute angegeben werden.
(Nachträglich ist der deutschen Waffenstillstandsdelegation „mit Rücksicht auf die neuen Ereignisse“ folgender Zusatz zu dem Vertrage zugegangen: „Falls die Schiffe nicht in den bezeichneten Fristen übergeben werden sollten, werden die Regierungen der Verbündeten und der Vereinigten Staaten das Recht haben, Helgoland zu besetzen, um ihre Übergabe zu sichern.“)
24. Die Verbündeten und die Vereinigten Staaten haben das Recht, außerhalb der deutschen Territorialgewässer sämtliche Minenfelder zu beseitigen und sämtliche durch Deutschland gelegten Sperrungen zu zerstören. Deren Lage muss ihnen angegeben werden.
25. Die verbündeten und verbundenen Mächte haben das Recht, mit ihren Kriegs- und Handelsflotten frei in die Ostsee ein- und auszufahren. Dies Recht ist ihnen durch die Besetzung sämtlicher deutschen Forts, Küstenwerke, Batterien und Verteidigungsanlagen jeder Art zu sichern, welche sich in sämtlichen vom Kattegat in die Ostsee führenden Meerengen befinden, ferner durch das Auffischen und die Zerstörung sämtlicher Minen und Sperrungen inner- und außerhalb der deutschen Territorialgewässer. Ihre genaue Ortsangabe und ihre Pläne werden von Deutschland geliefert, das keine Beschwerde gegen Verletzung der Neutralität erheben darf.
26. Die Blockade der verbündeten und verbundenen Mächte bleibt in den gegenwärtigen Bedingungen aufrechterhalten. Deutsche Handelsschiffe, die auf offener See gefasst werden, bleiben der Beschlagnahme unterworfen.
Die Alliierten und die Vereinigten Staaten beschäftigen sich mit der Frage der Lebensmittelversorgung Deutschlands während des Waffenstillstands in dem für notwendig erachteten Maße.
27. Sämtliche Luftstreitkräfte werden in den von den Verbündeten und den Vereinigten Staaten bezeichneten deutschen Flughäfen gruppiert und demobilisiert. .
28. Deutschland lässt unversehrt und an Ort und Stelle das ganze Material des Hafens und der Flussschifffahrt, alle Handelsschiffe, Schlepper, Schaluppen, alle Apparate, das Material und die Vorräte für das Seeflugwesen, alle Waffen, Vorräte und Apparate jeder Art bei der Räumung der belgischen Küste und der belgischen Häfen.
29. Deutschland räumt sämtliche Häfen des Schwarzen Meeres und überliefert den Verbündeten und den Vereinigten Staaten sämtliche von den Deutschen im Schwarzen Meer beschlagnahmten russischen Kriegsschiffe. Es gibt sämtliche beschlagnahmten neutralen Handelsschiffe frei und liefert alles Kriegs- und sonstiges Gerät, das in diesen Häfen beschlagnahmt wurde, sowie das in Artikel 28 aufgeführte deutsche Material aus.
30. Sämtliche den verbündeten und verbundenen Mächten gehörigen Handelsschiffe, die sich augenblicklich in deutscher Gewalt befinden, werden ohne Recht auf Gegenseitigkeit in den von den Verbündeten und den Vereinigten Staaten bezeichneten Häfen abgeliefert.
31. Jede Zerstörung von Schiffen oder von Material vor der Räumung, der Ablieferung oder der Rückgabe ist untersagt.
32. Die deutsche Regierung gibt offiziell allen neutralen Regierungen, im besonderen der norwegischen, schwedischen, dänischen und holländischen Regierung bekannt, dass alle Einschränkungen, welche dem Handelsverkehr ihrer Schiffe mit den verbündeten und verbundenen Mächten auferlegt waren, sei es durch die deutsche Regierung selbst, sei es durch deutsche Privatunternehmungen, sei es auf dem Wege festgelegter Abmachungen (wie z.B. die Ausfuhr von Schiffsbaumaterial) sofort außer Gültigkeit treten.
33. Irgendwelche Überführung deutscher Handelsschiffe jeder Art unter irgendeine neutrale Flagge soll nach Unterzeichnung des Waffenstillstandes nicht stattfinden können.
Dauer des Waffenstillstandes
34. Die Dauer wird auf 36 Tage festgesetzt mit der Möglichkeit der Verlängerung. Im Laufe dieses Zeitraumes kann der Waffenstillstand, wenn die Klauseln nicht ausgeführt werden, von einer der kontrahierenden Parteien gekündigt werden. Diese muss 48 Stunden im voraus davon Kenntnis geben. Es wird so verstanden, dass die Artikel 3 und 18 nur dann zur Kündigung des Waffenstillstandes wegen unzureichender Ausführung in den bestimmten Zeiträumen führen, wenn es sich um eine böswillige Ausführung handelt. Um die Ausführung der gegenseitigen Vereinbarung unter den günstigsten Verhältnissen zu sichern, wird das Prinzip einer permanenten internationalen Waffenstillstandskommission angenommen. Diese Kommission wird unter der obersten Leitung des Oberbefehlshabers des Heeres und der Marine der alliierten Armeen arbeiten.
Gezeichnet: F. Foch – R. E. Wemyss – Erzberger. – A. Oberndorff – Winterfeldt – Vanselow.
Anhänge
(keine offizielle Übersetzung)
Anhang 1
I. Die Evakuierung der eroberten Gebiete, Belgien, Frankreich und Luxemburg – und auch von Elsass-Lothringen – wird in drei aufeinanderfolgenden Stufen gemäß den folgenden Bedingungen durchgeführt:
Erste Stufe. – Evakuierung der Gebiete zwischen den bestehenden Front und Linie Nr.1 auf der beiliegenden Karte, die innerhalb von 5 Tagen nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes zu absolvieren ist
Zweite Stufe. – Evakuierung von Gebieten zur Linie-Nr Linie 2 innerhalb von 4 weiteren Tagen (9 Tage nach Unterzeichnung des Waffenstillstandes).
Dritte Stufe. – Die Evakuierung der Gebiete zwischen Linie Nr. 2 und Linie Nr. 3 muss innerhalb von 6 weiteren Tagen abgeschlossen sein (15 Tage nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes).
Truppen der Alliierten und der Vereinigten Staaten werden die jeweiligen Territorien mit dem Ablauf der Frist für die Evakuierung der deutschen Truppen besetzen.
So werden die alliierten Truppen die heutige deutsche Front ab dem 6. Tag nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes überschreiten – Linie Nr.1 folgt ab der 10. Tag und Linie Nr. 2 ab dem 16. Tag.
16 MULTILATERALE ABKOMMEN 1918-1930
II. Evakuierung des Rheinbezirks. – Diese Evakuierung soll in mehreren aufeinanderfolgenden Phasen durchgeführt werden:
(1) Evakuierung von Gebieten zwischen den Linien 2 und 3 und der Linie 4, innerhalb von 4 weiteren Tagen (19 Tage insgesamt nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes).
(2) Evakuierung von Gebieten zwischen den Linien 4 und 5, die noch abgeschlossen werden müssen innerhalb von 4 weiteren Tagen (insgesamt 23 Tage nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes).
(3) Evakuierung von Gebieten zwischen den Linien 5 und 6 (Rhein-Linie ) innerhalb von 4 weiteren Tagen (insgesamt 27 Tage nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes).
(4) Evakuierung der Brückenköpfe und der neutralen Zone auf der rechten Seite des Rheinufers, die innerhalb von 4 weiteren Tagen erfolgt (31 Tage insgesamt nach die Unterzeichnung des Waffenstillstandes).
Die Besatzungsarmee der Alliierten und der Vereinigten Staaten wird in diese Gebiete übernehmen.
Damit ergeben sich nach dem Ablauf der Frist für den Abzug der deutschen Truppen folgende Daten für den Einmarsch der amerikanischen Truppen: Linie 3 wird 20 Tage nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes überquert. Es folgt die Linie Nr. 4 ab dem 24. Tag nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes; Linie Nr. 5 ab dem 29. Tag; Linie Nr. 6 (Rhein) am 32 Tag, um damit auch die Brückenköpfe zu besetzen.
III. Übergabe durch die deutschen Armeen von Kriegsmaterial, welches vom Waffenstillstandsvertrag definiert wird.
Dieses Kriegsmaterial wird gemäß dem folgenden Bedingungen übergeben: Die erste Hälfte vor dem zehnten Tag, die zweite Hälfte vor dem zwanzigsten Tag. Dieses Material soll den Verbündeten und Armeen der Vereinigten Staaten übergeben werden und zwar von jeder größeren taktischen Gruppe der deutschen Armeen im jeweiligen Verhältnis, welches durch die permanente, internationalen Waffenstillstands-Kommission festgelegt werden wird.
Anhang 2
Bedingungen in Bezug auf Kommunikation, Eisenbahnen, Wasserstraßen, Straßen; Fluss- und Seehäfen sowie telegraphische und telephonische Kommunikation:
I. Alle Verbindungen bis zum Rhein einschließlich jener am rechten Ufer dieses Flusses, innerhalb der Brückenköpfe der alliierten Armeen, werden unter die höchste und absolute Autorität des Oberbefehlshabers der alliierten Armeen gestellt. Dieser hat das Recht, alle Maßnahmen zu ergreifen, die er für notwendig erachtet um ihre Kontrolle und ihren Gebrauch sicherzustellen. Alle nötigen Dokumente diesbezüglich sind für ihn bereit zu halten.
II. Das ganze Material und das ganze zivile und militärische Personal, welches derzeit in der Unterhaltung und im Betrieb aller o.g. Verbindungswege beschäftigt ist, bleibt in vollem Umfang im Einsatz bis der jeweilige Bereich von den deutschen Truppen verlassen wird.
Jegliches zur Aufrechterhaltung dieser Verbindungswege in den linksrheinischen Bezirken erforderliche, ergänzende Material wird von der deutschen Regierung während der gesamten Dauer des Waffenstillstandes zur Verfügung gestellt.
III. Personal.
Das französische und belgische Personal welches zu den Diensten der Kommunikation gehört, ob interniert oder nicht, ist an die französischen und belgischen Armeen innerhalb von 15 Tage nach dem Unterzeichnung des Waffenstillstandes zurück zu entsenden .
Das Personal der Organisation der Elsass-Lothringischen-Eisenbahn soll, um die Arbeit dieser Bahn zu gewährleisten, behalten oder wiedereingestellt werden.
Der Oberbefehlshaber der alliierten Armeen hat das Recht, jegliche Änderungen und Ersetzungen von Personal der Transport- und Kommunikationslinien zu machen.
IV. Material
(a) Schienenfahrzeuge
An rollendem Material werden mindestens 5.000 Lokomotiven und 150.000 Waggons übergeben und zwar den Alliierten in der Zone zwischen der gegenwärtigen Front und Linie No.3. Die Zahl abzugebender Schienenfahrzeuge beinhaltet nicht das Material der Eisenbahnen von Elsass-Lothringen.
Die Abgabe muss innerhalb der festgesetzten Frist durchgeführt werden, welche sich durch Klausel 7 des Waffenstillstandsvertrags ergibt und unter den Bedingungen, welche die Ständige Internationale Waffenstillstandskommission festlegt.
Alle Materialien müssen in gutem Zustand und betriebsbereit sein, mit allen üblichen Ersatzteilen und Zubehörteilen. Es kann zusammen mit dem regulären Personal oder anderem Personal aus allen Teilen des Eisenbahnsystems der alliierten Armeen eingesetzt werden.
Das Material, das für den Betrieb der Eisenbahnen Elsass-Lothringens notwendig ist, muss vor Ort verbleiben oder gegebenenfalls ersetzt werden – es untersteht der französischen Armee.
Das Material, welches in den linksrheinischen Gebieten sowie an der innerhalb der Brückenköpfe zu verbleiben hat, muss die normale Tätigkeit der Eisenbahnen in diesen Gebieten ermöglichen.
(b) Oberbau, Signale und Werkstätten
Das Material für Signale, Werkzeugmaschinen und Werkzeugausrüstungen, das aus den Werkstätten und Depots der französischen und belgischen Linien stammt, soll unter Bedingungen ersetzt werden, deren Einzelheiten von der ständigen Internationalen Waffenstillstandskommission festgelegt werden.
Die Alliierten Armeen sollen mit allem Eisenbahnmaterial, Schienen, Zubehör, Anlagen, Brückenbaumaterial und Holz, welches für die Reparatur der zerstörten Linien über der heutige Frontlinie hinweg notwendig ist, versorgt werden .
c) Brennstoff- und Instandhaltungsmaterial:
Die deutsche Regierung ist während der Dauer des Waffenstillstandes für die Abgabe von Brennstoff und Instandhaltungsmaterial für die normalerweise den Eisenbahnen in den linksrheinischen Gebieten zugewiesenen Depots verantwortlich.
V. Telegraphische und telephonische Kommunikation.
Alle Telegraphen, Telephone und festen Funk-Stationen sollen den alliierten Armeen, inklusive allen zivilen und militärischen Kräften und ihrem ganzen Material, einschließlich aller Anlagen links des Rheins übergeben werden. Ergänzungslager mit Material, das für den Unterhalt notwendig ist, müssen während der Dauer des Waffenstillstandes von der deutschen Regierung entsprechend den Erfordernissen zur Verfügung gestellt werden.
Der Oberbefehlshaber der alliierten Armeen stellt diese Einrichtungen unter militärische Aufsicht und übernimmt seine Kontrolle und nimmt alle Änderungen an den Mannschaften von, die er für notwendig erachtet. Er wird alle militärischen Kräfte, die seiner Ansicht nach nicht für die Arbeit und Erhaltung der Eisenbahn notwendig sind, an die deutsche Armee zurückschicken.
Alle Pläne der deutschen telegraphischen und telephonischen Systeme sollen vom Deutschen Reich an den Oberbefehlshaber der alliierten Armeen übergeben werden.
Soweit der Waffenstillstandsvertrag von Compiégne in allen Details.
Englischsprachige Quelle (PDF)
Die Geschichte des Wagens von Compiègne
Der Wagen in dem der Waffenstillstand von Compiègne geschlossen wurde, ist im Jahr 1914 als Speisewagen mit der Nummer 2419 D in Saint-Denis für die Compagnie Internationale des Wagons-Lits (CIWL) gebaut worden. Ende Mai ausgeliefert, war er nur bis zum 3. August 1914 im fahrplanmäßig im Einsatz. Mit Kriegsbeginn endeten die großen, internationalen Einsätze der CIWL, man stellte den Wagen zunächst ab. Die CIWL, zu Deutsche „Internationale Schlafwagen-Gesellschaft“ bediente viele internationale Strecken mit Luxuszügen, am bekanntesten ist der Orient-Express von London nach Konstantinopel oder auch die Verbindung von Paris nach St. Petersburg. Mit solch internationalen Langläufern war mit Kriegsbeginn schlagartig Schluss. So setzte man den Wagen 2419 ab Juli 1915 auf der innerfranzösischen Verbindung in dem vom Krieg nicht betroffenen Gebiet zwischen Paris und Le Mans ein.
Umbau zum Büro des Kommandozugs von Marschall Froch
Im Herbst 1918 wurde der Wagen zu einem mobilen Büro umgebaut. Der Wagen wurde in einen größeren und einen kleineren Saal aufgeteilt und in den Befehlszug für den Generalstab von Marschall Foch eingestellt, welcher am 29. Oktober 1918 in Senlis übergeben wurde. Der Zug bestand außer dem Konferenzwagen 2419D aus einem Schlafwagen und einem Salonwagen. Als Schutzwagen gegen Sprengfallen im Gleis waren an jedem Ende des Zuges jeweils noch ein Packwagen eingestellt.
Aufstellung als Denkmal in Compiègne
Im September 1919 hob die Armee die Beschlagnahme auf und gab den Wagen an die CIWL zurück, welche den Wagen umgehend der Französischen Republik als Denkmal schenkte. Der Staat baute das Fahrzeug zunächst wieder zum Speisewagen zurück und setzte ihn vorübergehend im Präsidentenzug ein. Um 1920 wurde der Wagen auf den Stand, den er am 11. November 1918 hatte zurückgebaut und im Ehrenhof des Armeemuseums in Paris aufgestellt.
Später kam er in einem eigens für ihn gebauten Museumsgebäude in Compiègne auf der Waffenstillstands-Lichtung – „Clairière de l’Armistice“ – unter.
1940 – Die Nazis lassen Frankreich im Wagen von Compiegne kapitulieren
Damit war das geschichtsträchtige Leben des Waggons noch lange nicht vorbei. Mit ihrem feinen Sinn für großspurige Inszenierungen ließen die Nationalsozialisten das Fahrzeug wieder aus dem Gebäude herausholen, auf die Waldlichtung bei Compiègne stellen und zwangen die Franzosen genau hier, genau in diesem Wagen, am 22. Juni 1940 den Waffenstillstand zwischen dem Deutschen Reich und dem besiegten Frankreich unterzeichnen. Während es von der Waffenstillstandsunterzeichnung 1918 nur ein einziges Foto der Alliierten Delegation von dem Wagen gibt, waren nur zahlreiche Fotografen vor Ort. Eine inszenierte Demütigung der Franzosen von der Welt.
Von Compiègne über Berlin nach Thüringen
Der Wagen wurde dann – auf der Straße, da nicht mehr fahrtüchtig – nach Berlin gebracht und hier triumphal ausgestellt.
1944 kam der Wagen nach Thüringen, wurde zuerst in Ruhla abgestellt und später nach Crawinkel im Landkreis Gotha gebracht. Hier endete nun sein Schicksal: Im März 1945 wurde er zerstört, von wem genau, ist nach wie vor nicht ganz geklärt. Am wahrscheinlichsten ist die Zerstörung durch Einheiten der SS, welche in unmittelbarer Nähe den Bau der geheimen „Stollenanlage Jonastal“ (Sonderbauvorhaben „S III“) beaufsichtigte. Galt es doch um jeden Preis zu verhindern, ein weiteres Mal in diesem Wagen eine Kapitulation unterschreiben zu müssen…
Der heute auf der Clairière de l’Armistice ausgestellte Wagen ist nur ein ähnlicher Wagen, den man mangels Original „originalgetreu“ aufgehübscht hat. Er hatte eigentlich die Nummer 2439 und wurde am 16. September 1950 aufgestellt.
Gabriel Habermann
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